Die Kerzen für Zentralvietnam gehen niemals aus

Es ist Sonntag nachmittags, der Dong Xuan-Markt der Vietnamesen in Berlin ist lauter und lebhafter denn je. Irgendwo zwischen den ganzen Pavillons hört man Lieder aus der vietnamesischen Vorkriegszeit, die gerade für die Proben einer Gedenkzeremonie für die „Sieger des Krieges“ am 27.07.2017 abgespielt werden.

Menschen sowie Autos kehren auf dem Dong Xuan-Markt ständig ein und aus. Eine Hupe hört man jedoch selten in einem zivilisierten Land wie Deutschland. Die Hupe ertönt dann meist, wenn man Fußgänger warnen will oder im alltäglichen Kampf um einen begehrten Parkplatz in der Nähe des Marktes.

Im gleichen Moment, nicht weit entfernt vom Markt, feiert eine vietnamesische katholische Gemeinde mit 500 Personen gerade ihr Patrozinium.

Es scheint ein wichtiges Fest für die 500 Katholiken zu sein, weshalb die Kirche sehr andächtig still ist und ansonsten nur Gebete und Lieder aus dem Gotteslob aus den Mündern der jungen Vietnamesen erklingen.

In den Sitzreihen bleibt es still, keine persönlichen Gespräche zwischen den Kirchgängern. Sie hören nämlich gerade die sehr tiefgreifende Predigt von Pfarrer Do Ngoc Ha an.

Was auffällt ist, dass die Kirchgänger alle sehr jung sind und sie alle kommen aus einer Region, die immer mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat: Zentralvietnam. Ein Ort, der von Wind und Wetter geprägt ist und soeben erst eine Umweltkatastrophe, verursacht durch die Firma Formosa, ertragen musste. Um das Leben besser zu machen, haben viele ihr Haus, ihr Land verkauft, um sich den Weg in ein neues Leben zu finanzieren. Sie alle haben ihre Heimat verlassen und gehen einen neuen Weg, der voller Schwierigkeiten und Gefahren ist.

Fern von der Heimat, ständig beschäftigt mit dem täglich Brot, finden sie sich in diesen Tagen zusammen und richten ihre Seele zu Gott und beten für ihr Land und ihre Familie. Diese Menschen leben fernab von der Heimat, jede Person unter ihnen hat ihr eigenes Schicksal, doch hier, in dieser Gemeinde, haben sie alle einen Platz gefunden unter Menschen, die das gleiche Schicksal teilen und sich in der Liebe begegnen.

Die Anzahl der Senioren, die den Gottesdienst besuchen, ist nicht groß. Es sind die jungen Menschen, die hier in der Mehrheit sind und später für die Erhaltung der vietnamesischen Sprache und Kultur sorgen werden und sich somit mit den Auslandsvietnamesen verbinden.

Was auffällt ist, dass die Gemeinde zwar schon sehr lange besteht, aber noch nie ein Angestellter der vietnamesischen Botschaft zu Gast war. Trotzdem sind alle in der Gemeinde immer für alle da um zu helfen und richten sich immer in Richtung Heimat. Dort, wo ihre Familie zurückgeblieben ist. Viele haben ihre Heimat verlassen, um für sich selbst und ihrer Familie ein besseres Leben aufzubauen. Sie wollen eine bessere Zukunft für ihre Heimat sehen.

Vietnam hat viele Volksgruppen und verschiedenste Religionen und ist nicht nur das Bild, welches die vietnamesische Botschaft in Berlin vermittelt. Vietnams Bild in Deutschland ist mehr als nur die ganzen Galas mit vielen teuren Weinen und schmackhaften Speisen.

Die Botschaft muss weg von den Vorurteilen und sich den vietnamesischen Katholiken annähern. Sie sind hier sehr stark repräsentiert und auch die Repräsentanten Vietnams in Deutschland müssen sich mit ihnen auseinandersetzen.

Letztendlich beweist das fehlende Interesse des diplomatischen Corps Vietnams in Deutschland, dass das Dekret 36 des Politbüros der Kommunistischen Partei Vietnams (Dekret über die Zusammenarbeit mit Auslandsvietnamesen) in Deutschland noch keine ausreichende Anwendung gefunden hat.

Die Kerzen brennen immer noch, wie einst in den Heimatprovinzen Nghe An, Ha Tinh und Quang Binh. Doch sie wirken irgendwie noch schöner, wenn man sieht, wie junge Menschen mit einem starken Glauben dafür beten, dass die schlimmen und dunklen Zeiten für ihre Heimat bald vorübergehen und sie dann endlich eine helle Zukunft für ihr Volk aufbauen können.

Trung Khoa – VD-News

 

Patrozinium des Hl. Andreas von Phu Yen in der Kirche Ss. Corpus Cristi (Conrad-Blenke-Straße 64, 10407 Berlin) am 23.07.2017