Als Đinh La Thăng das Disziplinarverfahren durch das Exekutivkomitee der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV), aus dem Politbüro der KPV ausgeschlossen wurde, und als Parteichef in Ho-Chi-Minh-Stadt entlassen wurde, habe ich einige Posts auf facebook abgesetzt. Er rief mich daraufhin an und sagte kurz und knapp: „Ich habe sie auf facebook gelesen, vielen Dank dir. Aber alles ist bereits entschieden, warum schreibst du dann noch? Wenn es Leute nervt, dann wird es sich auf deine Aurbeit auswirken.“ Jetzt ist Đinh La Thăng ein Angeklagter vor dem Gericht. Selbst wenn er wollen würde, kann er mich nicht anrufen, um mich am Schreiben zu hindern. Und die nachfolgenden Gedanken schreibe ich nicht für ihn, sondern für meine Heimat Vietnam. Ein Kommentar von Lê Kiên – Reporter der Tuổi Trẻ-Zeitung
DAS LEBEN und DAS LAND
Đinh La Thăng war Verkehrsminister als viele Abgeordnete der vietnamesischen Nationalversammlung der Lage der Verkehrsunfälle als verheerend bezeichnet haben. Zu diesem Zeitpunkt haben 13.000 Menschen ihr Leben auf der Straße gelassen. Es gab viele Aufprallunfälle auf den miserablen Straßen, die sehr kläglich und katastrophal waren.
Đinh La Thăng nahm das Projekt der Erweiterung der Nationalstraße 1A (Länge: 1.887 km von Hanoi bis Can Tho) an. Ihn erwarteten ein großer Berg an Arbeit, besonders die Entschädigung und Landkauf von 25.000 Haushalten, von denen wiederum 7.500 Haushalte neu angesiedelt werden mussten. Der Projektleiter zu dem Zeitpunkt war Nguyễn Xuân Phúc, heute Premierminister, doch damit das Projekt gelingen und die Vorgaben des Zentralkomitees der KPV sowie der Nationalversammlung erfüllen konnte, brauchte es den „Chefaufseher“ Đinh La Thăng. Keiner kann seine damals wichtige Rolle leugnen. Der Verkehrsminister scheute kein Wind und Wetter, selbst an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen hat er sich die Zeit genommen und ist persönlich zu den Baustellen gekommen. An den Hotspots hat Đinh La Thăng immer eins gesagt, woran sich viele Lokalpolitiker wohl bis heute erinnern können: „versucht möglichst alle Verfahren zu nutzen, damit das Volk die höchste Entschädigung bekommt…“
Ich lebe und arbeite seit 18 Jahren in der Hauptstadt Hanoi als Journalist und war schon auf vielen Straßen dieses Landes unterwegs. Ich war Zeuge von vielen verheerenden Verkehrsunfällen. Aufeinanderprallende Reisebusse, veraltete und alte Lastwagen und abgenutzte Überfahrtsschiffe, die nur noch auf ihren Feierabend warten…
Als Đinh La Thăng sein Amt als Verkehrsminister ablegte, war die Nationalstraße 1A durchgängig befahrbar. Die Hauptroute des Landes ist nun wohl die schönste Straße in der Geschichte des Landes. Zwar ist die Anzahl an Verkehrstoten immer noch sehr hoch, doch konnte die Zahl um 5.000 Personen im Vergleich zum „Höhepunkt“ mit 13.000 gesenkt werden.
Ohne Frage, ohne die Entschlossenheit und das Engagement von Đinh La Thăng, wäre das Ergebnis niemals so wie heute. Man braucht nur einen Blick auf seine Vorgänger sowie seine Nachfolger zu werfen.
Als das Problem mit den BOT-Mautstellen aufkaum, haben viele Đinh La Thăng als Sündenbock hergenommen. Ich habe diese Sache bereits kommentiert, deswegen sage ich jetzt nichts mehr dazu. Es gibt aber viele Angelegenheiten, die man erst erkennt, wenn man über viele Jahre Erfahrungen gesammelt hat.
Die Nationalstraße 1A ist schön, die Zahl der Verkehrstoten konnte um 5.000 unschuldige Menschenleben reduziert werden und viele andere Straßen konnten fertiggestellt werden – das ist der Verdienst eines „gesamten politischen Systems“. Und Đinh La Thăng? Er bekommt die Strafen.
WIRTSCHAFTLICHE UNTERNEHMEN und DER POLITISCHE SCHMERZ
Zurzeit steht Đinh La Thăng als Angeklagter vor dem Gericht für Taten, die während seiner Zeit als Vorsitzender der PetroVietnam passiert sein sollen. Die Presse berichtet darüber, dass er bereits als damalige Führung die Verantwortung übernommen haben soll und das Gericht darum bittet auch seine Untergebenen zu untersuchen.
Es steht außer Frage, dass Đinh La Thăng verurteilt wird. Doch ich halte mich daraus, das ist die Aufgabe der Justiz.
Ich möchte nochmals zu den staatseigenen Unternehmen Vietnams zurückkehren. Ihre Vorgänger war die „Körperschaft 91“, die in den 1990er-Jahren gegründet worden sind. Im Jahr 2005 wurde das erste staatseigene Unternehmen, die Vietnam Posts and Telecommunications Group“ gegründet. Nur ein Jahr danach wurde die PetroVietnam gegründet.
Ich erinnere mich daran, dass der damalige Nationalversammlungsabgeordnete Dr. Trần Du Lịch immer wieder Reformen für diese Körperschaften gefordert hat. So sagte er, dass im Ausland Unternehmen mit Staatsbeteiligung eigenen Gesetzen unterliegen. Somit werden sie auch anders verwaltet als andere Unternehmen. Doch seinen Vorschlägen wurde nicht genügend Beachtung geschenkt. Entweder waren Reformen zu schwer oder alle anderen haben nicht verstanden, was der Wirtschaftsexperte Dr. Trần Du Lịch sagte.
Davor im Jahr hat der Nationalversammlungsabgeordnete Prof. Nguyễn Minh Thuyết vorgeschlagen, dass im Fall von Vinashin ein Untersuchungsausschuss gegründet werden soll. Ein anderer Abgeordneter wehrte sich dagegen: „die Lage soll wegen Vinashin nicht komplizierter gemacht werden.“ Genau dieser Abgeordnete ist heute ein Minister und Prof. Nguyễn Minh Thuyết macht wieder seine alte Arbeit: Lehrbücher schreiben.
Seitdem der Premierminister das „Pilotprojekt Musterstaatsunternehmen“ beschlossen hat, sind bisher keine Ergebnisse zu sehen. Bisher gab es nur Korrekturen (z.B.: Unternehmen dürfen in mehreren Feldern aktiv sein, danach sollen sie ihre Umsätze deklarieren und dann wieder in ihren Fachbereich zurückkehren)
Während der „Politphase“ wurde dann deutlich, dass fast jede Körperschaft Probleme hat. 20 Jahre sind vergangen und das System staatseigene Unternehmen zu verwalten, besonders die Körperschaften, wurde immer noch nicht reformiert.
Eine große Zahl an ehemaligen Leitern dieser Körperschaften wurden diszipliniert, strafrechtlich verfolgt, verurteilt und haben ihre Strafe abgelegt. Đinh La Thăng ist keine Ausnahme. Unter den Angeklagten gibt es viele Personen, die ihr ganzes Leben für die Arbeit geopfert haben. Sie liebten ihre Berufung und all die Ergebnisse haben Vorteile für das Land gebracht. Ich möchte da denn Fall von Phùng Đình Thực anbringen. Er kommt, wie ich auch, aus dem Distrikt Hoằng Hoá, Provinz Thanh Hóa, eine Gegend, bekannt für sein Bildungsbewusstsein. Phùng Đình Thực war ein fleißiger Student, seinen Doktortitel hat er in der Sowjetunion erlangt. Als er dann wieder nach Vietnam zurückkehrte, durchquerte er das gesamte Land von Nord bis Süd, jeder Kilometer vom Delta bis zum offenen Meer, um Ölfelder zu finden. Phùng Đình Thực hatte viele Ideen und Einfälle, die sehr wertvoll für diese Schlüsselindustrie sind. Genau das half dabei die Staatsbank über so viele Jahrzehnte zu retten.
100 erfolgreiche Projekte, zahlreiche Urkunden und selbst ein Ho-Chi-Minh-Preis konnten Phùng Đình Thực nicht vor einem misslungenen Projekt, welches ihn ein ganzes Leben lang in Verruf bringen wird, schützen
Sicherlich wird da der ein oder andere sagen: wenn man nicht ins Gefängnis wandern will, soll man während seiner Amtszeit keine Fehler machen.
Vor kurzem habe ich einen facebook-Post von einem befreundeten Journalisten gesehen, der meinte, dass wenn ein Führer eines Unternehmens rechtlich verfolgt wird, ist das der Fehler des einzelnen. Doch, wenn viele Führer von vielen Unternehmen rechtlich verfolgt werden, ist eine Untersuchung des politischen Systems doch gerechtfertigt?
Aus dieser Sichtweise sind dann viele Personen Täter und Opfer zugleich.
ĐINH LA THĂNG – SO WIE ICH IHN KENNE
Es gibt böswillige Menschen, die Đinh La Thăng immer mit dem teuren „Macallan 30“-Whisky in Verbindung bringen. Und als das Gericht Đinh La Thăng wegen „bewusster Nichtachtung von staatlichen Vorgaben“ befragt, sagen diese Menschen, dass der Whiskey ein Zeichen von Korruption sei.
Während Personen, die Đinh La Thăng positiv gegenüber stehen öffentlich auf facebook ihren Status schreiben, gibt es wieder die, die einen Hass auf Đinh La Thăng ausüben und ihre eigenen Geschichten aufbringen.
Doch das ist normal. So ist das Leben.
Đinh La Thăng hat keine Geheimnisse. Er ist ein ehrlicher Mensch und kann seine Emotionen nicht verstecken. Das Leben ist auch so. Einst Vorsitzender einer staatlichen Körperschaft, hat er sicherlich die ein oder andere Feier mit teuren Alkoholika aus dem Westen und feinen Speisen veranstaltet. Doch er ist nicht allein. Auch viele andere Führungskräfte in diesem System haben das so gemacht. Es gibt Führer, die gerne mal Macallan 74 oder Chivas 38 trinken aber nachdem das Licht der Bühne aus ist, mag Đinh La Thăng es gern mit seinen Freunden Zeit zu verbingen und sich selbst mal zu vergessen.
Đinh La Thăng lebt in einer normalen Wohnung, kein Vergleich zu den ganzen Häusern von den ganzen Vorsitzenden der Distrikte im ganzen Land. Erst Recht zum Vergleich des Penthouses der Gesundheitsministerin. Đinh La Thăng weiß nicht, wie man versteckt. Đinh La Thăng weiß nicht, wie man Golf spielt. Đinh La Thăng fährt zum Urlaub auch nicht ins Ausland.
Đinh La Thăng mag teuren Whisky aber er trinkt auch gerne mal einen Bauernreiswein. Seitdem er Abgeordneter für sechs Distrikte in den Bergen der Provinz Thanh Hóa war, hat er immer sich bereit erklärt mit den ganzen Vorsitzenden mal Kartoffelwein oder Maniokwein zu trinken. Und das nicht nur ein oder zweimal, sondern seit 2011 bis heute.
Vor nicht all zu langer Zeit, nach Beendigung der Sitzungsperiode in der Nationalversammlung, wurde Đinh La Thăng dazu geraten, nicht mehr seine Wähler zu treffen, da die Lage um ihn sehr gespannt sei. Doch er hat sich nicht davon abhalten lassen, seine Wähler im höchsten Wahlkreis der Provinz Thanh Hoá Mường Chanh sowie dem am weitesten Wahlkreis Mường Lát zu treffen. Beim letzten Treffen hat seine eigene Tochter 1000 Jacken gekauft, damit Đinh La Thăng sie armen Schülern der Unter- und Mittelstufe schenken zu können. Nachdem die Jacken verschenkt worden sind wurde ein gemeinsames Bild mit der Schule geschossen. In den Augen von Đinh La Thăng konnte ich seine Traurigkeit ablesen.
In der letzten Nacht in Mường Lát hat die gesamte Delegation gemeinsam Kartoffelwein getrunken. Zwei Flaschen westlichen Wein hat Đinh La Thăng mitgebracht, um sie dem Polizeichef im Distrikt zu schenken. Ein Junger Polizist wurde befördert, wegen seinem Kampf gegen Drogenmissbrauch. Sein Erfolg sollte gefeiert werden…
Đinh La Thăng beim letzten Wahlkreistreffen am 01.12.2017 im Distrikt Mường Lát, Provinz Thanh Hoá.
(siehe Artikel: https://baomoi.com/doan-dbqh-thanh-hoa-tiep-xuc-cu-tri-huyen-muong-lat/c/24151052.epi)
Lê Kiên – Reporter der Tuổi Trẻ-Zeitung
Weiterführende Links:
(Nur Vietnamesisch): Prozess um Trịnh Xuân Thanh: „Das Leben ist schon bitter, Politik ist noch bitterer“ (Kommentar von Rechtsanwalt Lê Văn Thiệp)
(Nur Vietnamesisch): Đinh La Thăng: Seine Art und sein Schicksal (Kommentar von Rechtsanwalt Lê Văn Thiệp)
(Nur Vietnamesisch): Es geht nicht nur um Đinh La Thăng
http://thoibao.de/nguoi-viet-o-duc/11579/chuyen-khong-cua-rieng-thang.htm
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