Während die Abgeordneten der vietnamesischen Nationalversammlung zahlreichen Mitgliedern der Regierung Anfragen gestellt haben, demonstrierten vor dem Sitzungsgebäude die sogenannten „dân oan“, Opfer von staatlich sanktionierten Landenteignungen. Kein Abgeordneter sprach zu den aufgebrachten Demonstranten.
„Nieder mit Parlamentspräsidentin Nguyễn Thị Kim Ngân. Nieder mit der Marionettennationalversammlung.“ Selten sieht man in Hanoi solch einen offenen Protest. Sonst hält man sich in Hanoi eher privat mit der politischen Meinung. Den sogenannten „dân oan“ reicht es aber. Sie kommen aus dem ganzen Land und beklagen unrechtmäßige Haus- und Landenteignungen, die Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen der Regierung und Mafiagruppen sein soll. In Hanoi fordern die „dân oan“ nun Gerechtigkeit und die Wahrung des geltenden Rechtes.
Sie haben ihr Land, ihr Zuhause, teilweise schon seit Jahren verloren und mindestens genauso lange leben sie schon auf der Straße. Einige haben sogar ihre Heimatprovinz verlassen, um den Bürgersteig vor der Regierungsinspektion und dem Bürgerbüro in Hanoi als ihre neue Heimat zu bezeichnen. Dort leben sie unter prekären Umständen. Kein festes Dach über dem Kopf, kein fließend Wasser, alles ist nur improvisiert. Die Regierung duldet diese Camps, vermutlich ist das besser als die Besetzung des Ba Đình-Platzes vor dem Ho-Chi-Minh-Mausoleum.
Unter den obdachlosen „dân oan“ befinden sich auch viele Senioren und auch Kinder, die den Unterricht nicht besuchen können, da sie nicht in Hanoi gemeldet sind.
Seitdem die Nationalversammlung in Hanoi tagt, demonstrieren die „dân oan“ täglich. Die Polizei regierte mit Festnahmen und Gewalt auf die Proteste. Auch Kinder und Jugendliche wurden mit zur Polizeiinspektion genommen. Blutige Schläge gegen die Erwachsenen oder offensives Schubsen der minderjährigen Demonstranten standen an der Tagesordnung.
Unter ihnen ist auch die 16-jährige Đoàn Trương Anh Thư aus Đồng Nai, die seit dem sie zehn Tage alt war, kein Zuhause hat. Sie demonstrierte mit vielen anderen „dân oan“ vor der Nationalversammlung, mit dem Aufruf, die Nationalversammlung möge doch bitte den „dân oan“ helfen. Hauptziel war aber vor allem, dass der Provinzchef das sieht. Doch bevor es zu irgendeiner Reaktion der Nationalversammlung kommen konnte, wurden zahlreiche Demonstranten in Busse gezerrt. Viele der Polizisten waren in Zivilkleidung gekommen, erzählt sie. So habe die Polizei auch gemeint, dass die Demonstranten im Bus zur Regierungsinspektion zurückgebracht werden sollen, doch in Wahrheit wurden sie zur Polizeiinspektion gebracht.
Andere Demonstranten sind seitdem spurlos verschwunden. Ihnen droht eine Haftstrafe ohne jemals vor einem Gericht gestanden zu haben.
Hoàng Chính – Thoibao.de